IMG_2060In Ungarn entschied ich mich dagegen nochmal zurück nach Kroatien zu fahren. Einer der Gründe dafür war, dass ich gerne zur Mittsommernachtswende in Dänemark und Schweden sein wollte. Leider verpasste ich das Fest in Schweden um einen Tag, aber in Kopenhagen konnte ich bei Lagerfeuer und Musik im Hafen die längsten Tage des Jahres feiern. Obwohl ich keinen Couchsurfer fand und eine Nacht in der Universität verbrachte, ist Kopenhagen eine wirklich tolle Stadt. Doch ich wollte noch weiter nördlich und so kam ich per Anhalter nach zwei Tagen in Schweden in Oslo in Norwegen an.
Ich fand die Frage „Wo ist es am Schönsten?“ eigentlich immer unmöglich zu beantworten. Besser fand ich „Wo würdest du nochmal hingehen?“. Aber als ich die ersten zwei Tage in Norwegen verbracht habe, muss ich schon sagen, dass Norwegen ziemlich nah rankommt an den schönsten Ort. Das Land ist einfach vollgestopft mit wunderschöner Landschaft. Selbst wenn man in der Hauptstadt auf dem Dach des Konzerthauses steht, kann man sich einmal im Kreis sehen und hat entweder einen Blick auf den Fjord oder auf den Wald, der sich direkt an die Stadt anschließt. Das alles ist natürlich nichts gegen die Fjorde und Berge im Westen oder die Inselgruppe der Lofoten im Norden. Und das Tolle ist tatsächlich, wie viel Platz total unberührt ist, obwohl so viele schöne Punkte durch Straßen erschlossen sind.
Allgemein ist Norwegen ein perfektes Land für einen Roadtrip. Selbst die „Highways“ erlauben nur 80 km/h und so fährt man eher gemächlich auf einspurigen Wegen mitten durch die Natur und wenn man Glück hat, sieht man in den Abendstunden ein paar Elche oder Rehe auf den Straßen stehen. Das kann aber auch blöd laufen. Immerhin wiegt so ein Elch bis zu 600 kg, so viel wie ein Pferd. Und das meiste davon ist im Oberkörper. Trifft man also frontal auf einen Elch, fällt der durch die Windschutzscheibe. So sterben jedes Jahr mehrere Menschen auf den Straßen.
An dieser Stelle noch ein paar Worte zu der Elektromobilitätspolitik in Norwegen. Nicht nur sind Autos von Tesla und Co von der Steuer befreit, auch der Strom ist kostenlos und in vielen Städten gibt es extra Spuren und kostenlose Parkplätze. Da Norwegen nun auch kein armes Land ist, sieht man auf den Straßen andauernd Teslas herumfahren.
Extrem cool ist im Sommer definitiv die Mitternachtssonne. Es ist zwar eigentlich nur ein kleines Detail, dass die Sonne eben nicht mehr untergeht, aber es verändert eigentlich alles. Wenn es um Mitternacht so hell ist, wie in Berlin um sechs, dann bedeutet das auch, dass es keine zeitlichen Begrenzungen fürs Trampen oder Wandern gibt. Und für einen Sonnenuntergang musste ich oft bis halb eins warten. Dafür ging dieser dann nach zwei Stunden auch direkt in den Sonnenaufgang über. Auch sehr lustig war, als ich gemerkt habe, wie sehr mein Gehirn an den Sonnenverlauf bei uns gewöhnt ist. Denn anstand nach unten zu wandern, bewegt sich die Sonne im Norden eher horizontal. Das macht es beinahe unmöglich richtig einzuschätzen, an welchem Punkt sie den Horizont berühren wird. Das Kindergedicht „…im Norden ist sie nie zu sehen“ verliert hier um Mitternacht rum seine Gültigkeit.

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Für meine gesamte Zeit in Skandinavien hatte ich mir vorgenommen nur zu Trampen. Das war eine wunderbare Entscheidung und ich lernte so viele tolle Menschen dadurch kennen. Neben vier Norwegern, die mich im Wohnmobil für eine Nacht mit auf 1500 Metern brachten und mir ein Fahrrad zum Runterfahren gaben, ist es vor allem Ben, eine dieser tollen Begegnungen. Ich traf Ben nachdem ich schon aufgegeben hatte noch von jemandem mitgenommen zu werden. Doch Ben und ich hatten die gleiche Route und schlussendlich verbrachten wir beinahe zwei Wochen zusammen und ich entschied mich sogar gegen eine Reise ans Nordkap. Ben ist ein erfahrener Scout und Bergsteiger und reist für 100 Tage durch Island, Norwegen und Schweden. Von all seinem Wissen profitierte ich sehr. So lernte ich bereits am ersten Abend, wie man mit Axt und Säge leicht ein Feuer machen kann (und ja, wegen ihm habe ich mir dann tatsächlich ein Messer und eine Säge gekauft).

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Gemeinsam mit ihm unternahm ich zwei Wanderungen auf den Lofoten im Norden Norwegens. Obwohl die Berge nur 400 bis 800 Meter hoch sind, geht man bei einem Aufstieg durch alle verschiedenen Vegetationsstadien. Von hohem Farn bis hin zu 3 Meter hohen Schneewehen und Gletschern. So wurde eine Strecke, für die wir 4 Stunden angesetzt hatten, mit 8 Stunden bis 23 Uhr eine der gefährlichsten Wanderungen, die wir beide je gemacht haben.
Für die letzten zwei Wochen hatte ich mich mit Paul in Oslo verabredet. Plan war die erste Woche Richtung Bergen zu Trampen und die zweite Woche von Nordschweden runter nach Stockholm zu Trampen. Wie das mit solchen Reiseplänen ist, kommt alles anders. Gleich am ersten Tag fuhren wir in die Berge, um dort statt in der Nähe von Oslo zu Wandern. Ein Norweger, der uns mitgenommen hatte, wollte, dass wir bessere Erfahrungen machen als nur im Wald zu trampen. Und es war wirklich unglaublich. Nicht nur hatte er eine schöne selbst gebaute Holzhütte, sondern als uns abends die Streichhölzer ausgingen, sahen wir einen magischen Sonnenuntergang auf dem Weg zu nahen Hütten, damit wir unser Feuerholz auch nutzen konnten.
Witzigerweise fiel das Trampen Paul und mir noch leichter als mein Trip alleine und gerade in Norwegen kamen wir fast jeden Abend an einen wunderbaren Schlafplatz. Sei es ein Holztipi mit Fjordblick oder ein Campingplatz an einem Fluss.
Schweden war etwas schwerer, insbesondere auch, weil junge Leute hier Raggersvängen. Dabei fahren Teenager mit geschwindkeitsbegrenzten amerikanischen Autos durch die Stadt. Mit weniger als 20 km/h. Wenn wir dann beim Trampen zum vierten Mal die gleichen Autos sahen, wurden wir doch etwas wehmütig. Allerdings waren so viele Menschen hier extrem freundlich und gastfreudig und uns wurde mehrmals ein Dach für die Nacht angeboten. Zwei Schwedinnen fuhren uns sogar nur zum Spaß Richtung Stockholm, nur um dann wieder umzukehren.
In Stockholm war ich das letzte Mal 2010 und schon damals hat diese Stadt es mir sehr angetan. Seit damals hat sich mit Ausnahme der Mode auf der Straße nicht viel verändert und es ist immer noch eine großartige Stadt. Insbesondere in der Altstadt Gamlastan könnte ich ewig in den Cafés und Bars sitzen und heiße Schokolade oder Bier aus den unterschiedlichsten Gefäßen trinken. Und die Museen mit ihren kostenlosen Touren sind wunderbar.
Ach, Skandinavien, wann sehen wir uns wieder?