Das Gold liegt auf der Straße, man muss nur hingehen und es aufheben. In diesem Satz steckt mehr als nur ein Funken Wahrheit.
War ich bereits bei Cochsurfing davon fasziniert, dass so viele Menschen seit Jahren ohne direkte Gegenleistung Schlafplätze, Zeit und teilweise Essen zur Verfügung, so ist Trampen wohl das noch größere Faszinosum. Insbesondere weil es kaum jemand macht.Jeder kann sich einfach überall an die Straße stellen und den Daumen rausstrecken und auf die ein oder andere Weise kommt man immer an sein Ziel. Das einzige, was man mitbringen sollte, ist etwas Flexibilität und Offenheit.
Nun wurde ich mich keineswegs als Tramper bezeichnen. Zum einen sehe ich wohl nicht wie der klassische Tramper aus und zum anderen waren meine vorherigen Erfahrungen eigentlich nur ein Wochenendtrip nach Freiburg und eine Fahrt nach Hause, nachdem keine Bahnen mehr fuhren. Aber das ist ja das schöne daran, es gibt keinen Gatekeeper.
Bereits in Portugal und Kroatien trampte ich immer wieder. Aber als ich nach Skandinavien kam, entschied ich mich All-In zu gehen und bis Stockholm nur noch zu trampen. Genug Zeit hatte ich und was sollte schon schief gehen. Und darin hatte ich mich nicht getäuscht, denn schief gegangen ist außer einer Nacht unter einer Bank bei strömendem Regen nichts. Wie viel allerdings glücklich verlaufen sollte, damit hatte ich auch nicht gerechnet.

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Ich glaube ja, dass Trampen ein super Filtersystem ist. Denn jemand, der für Tramper anhält, wird wahrscheinlich auch ein netter Mensch sein. Deswegen hatte ich dabei nie mit grummelnden oder meckernden Menschen zu tun.
Das einzige Problem war wohl, dass ich zu skandinavisch aussehe und manche mich wohl der norwegischen Sprache mächtig erachteten. Wenn sie selbst kein Englisch sprechen konnten, wurde die Fahrt oft sehr still.
Zur Abwechslung aber auch nicht so schlecht. Denn das ist wohl neben dem Warten eines der zwei Mankos am Trampen. Man fühlt sich dem Fahrer natürlich verpflichtet und möchte durch Gespräche gerne zur Unterhaltung beitragen. Lesen oder schlafen fällt somit flach, was unglaublich schwierig ist, wenn mir die Augen beinahe alle zwei Sekunden zuzufallen drohen.
Aber dann gibt es die Menschen mit denen das Gespräch einfach nicht abreißen will. Großes Glück hatte ich dabei mit Ben, einem Engländer, mit dem ich die gleiche Route durch Norwegen teilte und an Schluss fast zwei Wochen und zwei Wandungen zusammen verbrachte. Und bis zur letzten Minute gab es keinen seltsamen Moment der Stille zwischen uns und keinen griff nach dem Radioschalter um für Ablenkung zu sorgen.
Doch Ben war nicht der einzige, der mich oder uns für mehrere Tage begleitete. Da gab es die zwei norwegischen Pärchen, die einen Sohn in meinem Alter hatten, mit denen ich zwei Tage in ihrem großen Wohnmobil durch einige der schönsten Fjorde Norwegens fuhr, auf 1500 Metern grillte und am nächsten Morgen mit einem ihrer Mountainbikes nach unten fuhr.
Oder der etwas verrückte 80-jährige Nordkapbesucher, mit dem ich nach seinen 6 Stunden Autofahrt weitere 8 dran hängte, bevor er endlich einen Platz zum schlafen suchte. Am nächsten Morgen ließ ich mich dann bei Ikea aussetzen (An dieser Stelle eine kleine Randbemerkung: in Norwegen hat Ikea unglaublich leckere Frühstücksbüffets mit Pancakes und warmen Zimtschnecken für gerade mal 5€. Nachfüllen ist gestattet.)

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Auch Thorstein, der Paul und mich mit auf seine Hütte einlud, weil ihm die Gegend nicht gefiel, in der wir wandern wollten. Nachdem seine Familie uns mit Essen und er uns mit Karte und Wandertipps ausgestattet hatte, verbrachten wir drei Tage in den Bergen um seine Hütte, bevor er uns zurück auf die Straße brachte.
Diese Erfahrung aber auch die Zeit mit Ben, der Scout ist und mich auf eine der gefährlichsten Wanderungen meines Lebens mitnahm, sind für mich ausschlaggebend, was mir so gut an Trampen gefallen hat. Es ist unmöglich diese Dinge zu kaufen. Nicht mit allem Geld der Welt. Ja, Paul und ich hatten eine Nacht in einer Hütte bestimmt irgendwie käuflich erwerben können und ich hatte einen Roadtrip über de Lofoten mit eigenem Auto durchführen können. Aber das Gefühl des Glücks und die Originalität, das hatten wir uns nicht kaufen können. Und dafür nimmt man doch gerne mal zwei Stunden an der Straße stehen in Kauf.
All die netten Menschen, die mich oder später uns, als ich mit Paul zusammen reiste, teilweise nur zum Hilfsbereitschaft, Spass oder aus Langeweile näher ans Ziel brachten. Zum Beispiel der Jeepfahrer, mit dem ich zehn Minuten aus dem Dorf fuhr. Oder eine der lustigsten Fahrten mit zwei Schwedinnen, die uns erst in Kofferraum ihres Transporters zu ihren Eltern brachten und dort das Auto wechselten. Dann zwei Stunden nach Stockholm fuhren, nur, um nachdem sie uns ausgesetzt hatten, wieder zurück zu fahren.